Nuo Hotel, Peking: ‚Made in China‘ – und wie!

China lehrt den Westen in vielen Bereichen durch schiere Masse das Fürchten – und in manchen Bereichen inzwischen auch durch Klasse. Das Nuo Hotel in Peking zeigt eindrucksvoll, dass wir das Billigheimer-Klischee ‚Made in China‘ inzwischen auch im Gastgewerbe vergessen können – jedenfalls im Luxus-Segment. Wenn da nicht gewisse Details wären, die man eben nicht mit Geld kaufen kann. Unser Reise- und Service-Experte Carsten K. Rath hat ganz genau hingesehen.     

#Wertung

Service-Faktor
Service-Faktor
1
5
10
Design-Faktor
Design-Faktor
1
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Herzlichkeits-Faktor
Herzlichkeits-Faktor
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Innovations-Faktor
Innovations-Faktor
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Kreativitäts-Faktor
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Nachhaltigkeits-Faktor
Nachhaltigkeits-Faktor
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Wohlfühl-Faktor
Wohlfühl-Faktor
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Hardware-Faktor
Hardware-Faktor
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Gourmet-Faktor
Gourmet-Faktor
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Usability-Faktor
Usability-Faktor
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Die Bewertung erfolgt nach subjektiven und zugleich professionellen Gesichtspunkten aus meiner Perspektive als langjähriger Branchen-Insider anhand des Net Promoter Score auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich, dass ich das Unternehmen einem Freund oder Kollegen empfehlen würde) bis 10 (äußerst wahrscheinlich).

Mit dem Spruch „Made in China“ haben wir in Europa alle möglichen Assoziationen, und die wenigsten davon sind erfreulich. An Chinas Status als zentraler Welt- und Wirtschaftsmacht der Zukunft zweifelt zwar kaum noch jemand, doch die Klischees halten sich hartnäckig. Was viele nämlich nicht wissen oder auch nicht wahrhaben wollen ist, wie gut die Chinesen längst sind. Auch in so traditionellen westlichen Bastionen wie der luxuriösen Hotellerie zum Beispiel. Da gibt es inzwischen tatsächlich ein Hotel, das mit dem Slogan wirbt: „Proudly made in China“. Nicht irgendein Hotel, sondern das Nuo Hotel in Peking – eine Kooperation chinesischer Investoren und, Überraschung: den Europäern von Kempinski. Es ist eines von zwei bisher eröffneten Häusern der Kette. 

Die treibende Kraft hinter dem Hotel, Managing Director Wang Xing, ist ein alter Bekannter. Als ich Anfang der 1990er das Kempinski Lufthansa Center in Peking eröffnete, war er einer meiner ersten einheimischen Kollegen. So kam die internationale Grand Hotellerie nach China. Nun bin ich zurück und betrachte, was die Pekinger daraus gemacht haben. Eine Zeitreise und ein Protokoll des Staunens zugleich.   

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Hotelarchitektur als Kunstform

Das Selbstbewusstsein, das im Claim „Proudly made in China“ durchscheint, kommt nicht von ungefähr: In vielen Punkten ist das Nuo Hotel in Peking eine Klasse für sich. Als ich die Lobby betrete, schlägt mir das schiere Ausmaß der grenzenlosen Möglichkeiten entgegen: Hier ist so viel Platz, dass ich für den Weg durch die Lobby schon beinahe die Laufschuhe anziehen möchte. Und dieser Platz wurde gut genutzt.  

„Modern Ming Living“ nennen die Macher das Interieur-Konzept, das bereits hier für den ersten Eindruck überdeutlich umgesetzt wurde: Riesige skulpturale Ming-Vasen säumen die Lobby, in deren Zentrum eine gigantomanische Bronze steht. Die gesamte Halle, grob von der Größe eines Fußballfeldes, besteht aus kontrastierenden Marmor-Elementen, schwarz und weiß – ein Hauch von Yin und Yang für den, der das Klischee finden will. Die Fenster der Glasfassade sind geschätzte zehn Meter hoch. Alles wirkt aufgeräumt und clean, von betörender Symmetrie und perfekt beleuchtet; ein moderner Tempel der Harmonie.  

Was in seinem offensichtlichen Überfluss auch abstoßend wirken könnte, ist geschmackvoll inszeniert: Die Botschaft des Reichtums ist eindeutig, aber das Arrangement extrem geschmackvoll, reduziert und hochwertig. Das Konzept ist in der Tat unmissverständlich chinesisch – aber auf eine moderne, weltläufige, geradezu künstlerische Art und Weise. Ich kann nicht anders als beeindruckt sein.  

NUO_Hotel_Beijing_NUO-SPA
NUO_Hotel_Beijing_NUO-SPA

Das Runde passt ins Eckige

Aus alter Verbundenheit nimmt sich der vielbeschäftigte Wang Xing viel Zeit, um mir sein Hotel zu zeigen. Meine Suite ist atemberaubend: halbmondförmig angelegt mit halbrunden Fenstern verfügt auch sie über Platz, Platz und noch mehr Platz. Über der Skyline von Peking schwebend schlafe ich ein und erwache zu diesem ungewohnten Anblick eines fast nahtlosen Panoramas durch die gewölbten, sündhaft teuren Fensterscheiben 

Die Materialqualität des Hotels zieht sich bis ins kleinste Detail: Selbst die Schuhspanner, die ich am zweiten Tag in meinen Schuhen vorfinde, sind aus Voll-Mahagoni. Auch Bettwäsche und Seifen sind vom Feinsten; das sehe, spüre und rieche ich aus der Erfahrung des Grand Hoteliers sofort. Wie genau sich das alles rechnet, bleibt mir – ebenfalls aus Erfahrung – allerdings ein Rätsel. Es ist wie so oft in China: Mit europäischen Denkmaßstäben kommt man hier oft nicht weit. Die in China grundsätzlich bezahlbaren Zimmerpreise allein reichen dafür mit Sicherheit nicht: Ab vernünftigen ca. 150 Euro pro Nacht ist ein Zimmer im Nuo regulär zu haben. Im internationalen Vergleich bekommt man hier sehr viel fürs Geld 

Gastronomie als Herzstück des Hotels

NUO_Hotel_Beijing_NUO-SPA_Treatment-room

Die Gastronomie ist das Zentrum des Nuo Hotels: Es verfügt gleich über sieben Restaurants und Bars. Auch das ist in der chinesischen Kultur begründet: Die chinesische Formulierung für „Hast du gegessen?“ ist die typische Art, sich in Peking zu begrüßen. Essen ist im täglichen Leben ein absolut zentrales Motiv, dessen Bedeutung kaum zu überschätzen ist – ebenso wie die regionale Vielfalt.   

Dennoch beschränkt sich das Nuo nicht auf einheimische Küche: im Restaurant Jia gibt es Chinese Fine Dining, im N’Joy internationale Küche von internationalen Köchen, KOJI serviert Japanisch und U’Deli ist auf raffinierte Bio-Snacks und Desserts spezialisiert. Neben den vier Restaurants gibt es drei Bars, darunter ein Teehaus und die üppige Lobby Lounge. Mein Gastgeber lädt mich ins Jia ein – zum großen Menü nach Pekinger Art. Wer die ostchinesische Küche mag, und die der Hauptstadt im Speziellen, wird es schwer haben, in irgendeinem anderen Hotel der Stadt ein besseres Dinner zu finden.  

NUO_Hotel_Beijing_O-Bar

Hervorragender Service – mit einem sehr subjektiven Mangel

Mit dem Service steht und fällt ein Grand Hotel – eigentlich. Der Nuo Hotel ist der merkwürdige Fall eines Hotels, dass mit seinem Service weder steht noch fällt. Denn es ist so: Formal ist auch der Service genauso ausgezeichnet wie so ziemlich alles andere in diesem Hotel. Die Mitarbeiter sind hervorragend ausgebildet, diszipliniert, freundlich, flexibel und sogar kreativ.  

Doch wenn es um den Dreh- und Angelpunkt von Service geht, nämlich die Herzlichkeit, dann springt bei mir trotz aller fachlichen Brillanz im Nuo der Funke nicht über. Ich ahne, dass es sich dabei um eine kulturelle Differenz handeln kann. Ich kenne die höflich-distanzierte Art der einheimischen Service-Kräfte, speziell gegenüber Weißen, aus den Jahren, die ich hier verbracht habe. Ich weiß, dass Gastgebertum in China etwas anderes bedeutet als hier. Mir ist bewusst, dass ich vielleicht etwas suche, dass kein Chinese jemals vermissen würde. Deshalb möchte ich es so formulieren: Das, was wir Europäer unter Charme verstehen und was für mich zu herzlichem Service dazugehört, jene persönliche, im übertragenen Sinne „chemische“ und hochgradig individuelle Zugewandtheit auf der emotionalen Ebene – das bekomme ich im Nuo nicht.  

nuo-hotel-beijing-lobby
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Ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk

Ich bin mir voll und ganz im Klaren darüber, dass ich ein sehr europäisch gedachtes Fazit über das Nuo Hotel ziehe: Ich genieße es, dass ich hier das Beste aus beiden Welten bekomme. Trotz des ausgeprägt chinesischen Designkonzepts und der kulturell inspirierten Philosophie fühle ich mich hier auch als westlicher Gast auf Anhieb zu Hause. Gleichzeitig bekomme ich China zum Sattsehen und Sattessen.Proudly made in China“: Hier können Gäste aus dem Westen sich live davon überzeugen, wozu der Osten imstande ist – ohne auf vertraute westliche Standards zu verzichten. Auf der Beziehungsebene im Service jedoch fehlen dem Nuo und mir gefühlt ein paar Millimeter zur echten Liebe. Vielleicht liegt es an mir.  Vielleicht hatten wir einfach noch nicht genug Zeit miteinander. Abgesehen davon ist das Nuo Hotel ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk.  

Die Wertung auf der Travelgrand-Skala:  

  1. Ausdrückliche Reisewarnung
  2. Besser als unter der Brücke
  3. So la-la, nicht O-la-la
  4. Meckern auf hohem Niveau
  5. Wenn’s nur immer so wäre 
  6. Ganz großes Kino

 


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